Mit dem Herausgeber der deutschlandweiten Studie, der Initiative D21, verbindet CHG-MERIDIAN eine langjährige Partnerschaft. Das gemeinsame Ziel ist es, den digitalen Wandel zu fördern, notwendige Debatten anzustoßen und zu führen. D21-Geschäftsführerin Lena-Sophie Müller hat für uns die Ergebnisse der aktuellen Befragung kommentiert und eingeordnet. Ihr Fazit: „Nachhaltigkeit als größte Gestaltungsaufgabe unserer Zeit kann ohne Digitalisierung nicht mehr funktionieren. Dass die Digitalisierung selbst nachhaltig bleiben muss, macht die Herausforderung nicht einfacher.“
FRAU MÜLLER, SIE HABEN IM NEUEN D21-DIGITAL-INDEX ERSTMALIG DAS VERHÄLTNIS VON DIGITALISIERUNG UND NACHHALTIGKEIT ABGEFRAGT. WAS WAR DER GRUND DAFÜR?
Nachhaltigkeit, speziell die ökologische Nachhaltigkeit, ist weltweit die größte Gestaltungsaufgabe in diesem Jahrzehnt. Das hat enorme Auswirkungen auf die Gesellschaft. Die Digitalisierung beeinflusst die Nachhaltigkeit beträchtlich, im positiven wie auch im negativen Sinn – Stichwort Rohstoff- und Energieverbrauch. So war es naheliegend, die Wechselwirkung der beiden Themen zu hinterfragen.
WELCHE WESENTLICHEN ERGEBNISSE HABEN SIE DIESBEZÜGLICH GEWONNEN?
Die Komplexität des Themas spiegelt sich in den Antworten. Es ist im D21-Digital-Index keine Tendenz ablesbar, ob die Menschen den Einfluss die Digitalisierung auf die Nachhaltigkeit als gut oder schlecht beurteilen. Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Umwelt sind für die Mehrheit schwer nachvollziehbar. Eine gewisse Unsicherheit ist bei diesem Thema deutlich erkennbar. Da braucht es aus meiner Sicht verständlich aufbereitete Informationen. Sonst wird es schwierig mit der Akzeptanz der Maßnahmen, die jetzt unweigerlich kommen müssen.
WAS FEHLT DER BEVÖLKERUNG, WELCHE INFORMATIONEN BRAUCHEN DIE MENSCHEN?
47 % der Befragten sagen zum Beispiel, dass ihnen bei Onlinekäufen wichtige Entscheidungsgrundlagen nicht zur Verfügung stehen: Woher kommen die Produkte, welchen Einfluss haben sie auf die Umwelt etc.? Aus anderen Bereichen kennen wir Bio- und Sicherheitssiegel oder spezielle Auszeichnungen. So etwas könnte man auf digitale Produkte umlegen. Es geht auch hier darum, komplexe Bewertungssysteme auf eine einfache Systematik zu reduzieren.
WIE KANN AUS IHRER SICHT DARÜBER HINAUS NACHHALTIGES VERHALTEN GEFÖRDERT WERDEN?
Die Palette möglicher Maßnahmen ist groß und berührt viele Aspekte. Ein ganz wichtiger Faktor ist beispielsweise die Kreislaufwirtschaft. Ein gutes Signal setzen hier die Bemühungen zum Recht auf Reparatur. Zudem sollte es den Bürger:innen möglichst leicht gemacht werden, alte und nicht mehr funktionale Geräte zurückzugeben und somit einer Nachnutzung zuzuführen. Wie gesagt: Da wird es eine Fülle an Maßnahmen geben und wir müssen Alternativen aufzeigen, damit jeder von uns seinen Beitrag leisten kann. Im Moment meint nur jeder Fünfte, dass er selbst den größten Einfluss auf die ökologische Nachhaltigkeit hat.
WER TRÄGT NACH IHRER MEINUNG DIE VERANTWORTUNG FÜR EINE NACHHALTIGE DIGITALISIERUNG?
Ich glaube, dass es ein Zusammenwirken verschiedenster Akteure braucht: Wirtschaft und Gerätehersteller müssen umdenken, Medien müssen Zusammenhänge verständlich machen, aber auch die Politik ist gefordert. Sie muss Anreize schaffen und gegebenenfalls regulieren. Ein sehr interessantes Ergebnis unserer Studie ist, dass die Menschen der Wissenschaft eine starke Rolle zuordnen. Und selbstverständlich ist auch jeder einzelne von uns gefordert.
WELCHEN STELLENWERT HAT NACHHALTIGKEIT IN UNTERNEHMEN?
Aus dem intensiven Austausch mit den Vertreter:innen aus unserem Partnernetzwerk wissen wir, dass das Thema omnipräsent ist und in vielen Unternehmen zur Chefsache erklärt wurde. Jetzt ist es ja nicht so, dass sich die Herausforderung des grünen Wandels erst seit gestern stellt. Darum ist erfreulicherweise auch schon viel passiert. Wenn wir aber den digitalen Wandel dazu nehmen, dann bleiben Fragezeichen. Für viele ist Digitalisierung nach unseren Erfahrungen immer noch Internetanschluss, E-Mail und vielleicht der Onlineshop.
WAS ERWARTEN DIE MENSCHEN VON DEN UNTERNEHMEN IN BEZUG AUF DIGITALE NACHHALTIGKEIT?
Aus unserer Studie lässt sich der Wunsch nach klaren Informationen ablesen. Die Menschen möchten wissen, welche Konsequenzen ihr Handeln in Bezug auf Nachhaltigkeit hat. Wenn sie das einschätzen können, spielt bei der Kaufentscheidung mehr als nur der Preis eine Rolle. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit auf keinen Fall unterschätzt werden sollte. Letztendlich sollten die Unternehmen es den Menschen so einfach wie möglich machen, sich nachhaltig zu verhalten. Dann tun sie das auch.
INWIEWEIT SIND NACH IHRER MEINUNG DIE MENSCHEN ZU EINSCHRÄNKUNGEN BEREIT, WENN SIE SICH DADURCH NACHHALTIGER VERHALTEN?
Menschen brauchen keinen Zeigefinger, sondern ein positives Narrativ. Die Gestaltungskraft der Digitalisierung muss in der Kommunikation mit Argumenten unterfüttert werden: Ich nutze die Vorteile und bleibe dabei nachhaltig. Die Leute sind nicht blauäugig. Digitalisierung hat man lange passieren lassen. Jetzt baut sich immer mehr das Bewusstsein auf, dass es ohne Steuerung nicht weitergehen kann. Nicht jede Maßnahme ist schön, deshalb braucht es eine einfache und klare Kommunikation, um Verständnis und Akzeptanz hervorzurufen.
HERZLICHEN DANK FÜR DAS SPANNENDE GESPRÄCH, FRAU MÜLLER.
Neben dem Thema Nachhaltigkeit sieht Lena-Sophie Müller drei weitere große Felder, die sich im neuen D21-Digital-Index 2021/2022 herauskristallisiert haben:
Lena-Sophie Müller ist seit 2014 Geschäftsführerin der Initiative D21 e.V. Der gemeinnützige Verein umfasst ein parteien- und branchenübergreifendes Netzwerk von rund 200 Mitgliedsunternehmen und -institutionen sowie politischen Partnern aus Bund, Ländern und Kommunen. Lena-Sophie Müller hat es sich zum Ziel gemacht, die digitale Transformation im Schulterschluss mit Politik und Wirtschaft zum Wohle und Nutzen der Menschen zu gestalten. Mit ihrer Expertise berät sie u.a. Ministerien und den deutschen Bundestag.